Was ist kristallines Siliziumdioxid?
Kristallines Siliziumdioxid hat eine dreidimensionale Struktur, die kristalline Bereiche bildet. Das bedeutet, dass unter dem Mikroskop Kristalle sichtbar sind.
Was ist der Unterschied zu amorphem Siliziumdioxid oder Silikaten?
Silikate (Natrium-, Kalzium-, Magnesium-, Kaliumsilikat, usw.) sind Siliziumdioxid-Derivate. Die SiO2-Gruppen sind hier an andere Atome gebunden: Al, Ca, Mg, K, usw. Sie stellen somit nicht dieselbe chemische Einheit dar und demzufolge ist auch ihre Toxizität anders.
Der Sonderfall von Kieselgur oder Diatomeenerde:
Natürlich entstandenes Kieselgur besteht hauptsächlich aus amorphem Siliziumdioxid, kann aber auch kristallines Siliziumdioxid enthalten. Es gibt unterschiedliche Kieselgur-Arten, die je nach Behandlung, der sie unterzogen wurden, mehr oder weniger kristallines Siliziumdioxid enthalten:
Natürlich: Naturbelassene Produkte werden bei relativ niedrigen Temperaturen getrocknet. Diese natürlichen Produkte bestehen hauptsächlich aus amorphem Siliziumdioxid, können jedoch bis zu 3 % natürliches kristallines Siliziumdioxid enthalten.1
Kalziniert: Kalzinierte Produkte werden bei höheren Temperaturen getrocknet, meist um 1000°C. Durch diese Hitzeeinwirkung kann sich die kristallografische Struktur bei einem Teil des amorphen Siliziumdioxids verändern und kristallines Siliziumdioxid bilden, hauptsächlich in Form von Cristobalit. Demzufolge kann kalziniertes Diatomit bzw. Kieselgur bis zu 70 % kristallines Siliziumdioxid enthalten.2
Trotz ihrer höchst ansprechenden Optik und ihrer natürlichen Herkunft muss man beim Umgang mit Diatomeenerden somit äußerst vorsichtig sein, da sie hohe Mengen an kristallinem Siliziumdioxid enthalten können.
Wo findet man kristallines Siliziumdioxid?
Source | Amorphous Silica | Crystalline silica | |
---|---|---|---|
Natural | Mineral | / | α-Quartz |
/ | Quartz (CAS 14808-60-7) | ||
/ | Cristobalite (CAS 14464-46-1) | ||
/ | Tridymite (CAS 15468-32-3) | ||
Biogenic | Diatomaceous earth (Kieselguhr, CAS 61790-53-2) Crystalline silica content <3% | ||
Calcinated diatomaceous earth (CAS 91053-39-3) Crystalline silica content 0-40% | |||
Flux-calcinated diatomaceous earth (CAS 68855-54-9) Crystalline silica content up to 70% | |||
Synthetic | Synthesis | Fumed silica (CAS 112945-52-5) | / |
Silica gel (CAS 112926-00-8) | / | ||
Precipitated silica (CAS 112926-00-8) | / | ||
Colloidal silica | / | ||
Fused silica / Electric arc silica | / | ||
By-product | Silica fumes (CAS 69012-64-2): partial transformation into cristobalite | ||
Fused silica (CAS 60676-86-0) |
Gesundheitliche Auswirkungen
Exposition gegenüber kristallinem Siliziumdioxid erfolgt hauptsächlich durch Einatmen. Um als Bindemittel, Granulat oder Füller im Bauwesen genutzt werden zu können, muss das Siliziumdioxid zunächst gemahlen oder zerkleinert werden. In dieser Etappe bilden sich Feinpartikel des kristallinen Siliziumdioxids.
Diese Feinpartikel können dann leicht eingeatmet werden und bestimmte Erkrankungen oder Funktionsstörungen des Organismus wie Silikose oder Lungenkrebs auslösen.
Chronische Silikose ist eine progressive und potenziell tödliche Lungenfibrose. Symptome sind Atemnot, Kurzatmigkeit, Müdigkeit und Schmerzen im Brustkorb. Silikose entsteht spezifisch durch Einatmen von Siliziumdioxid in kristalliner Form. Die einzige derzeit bestehende Behandlung ist eine Lungentransplantation. Silikose kann als Berufskrankheit anerkannt werden.
Nach Diagnose der Silikose schreitet die Erkrankung fort, selbst wenn kein weiterer Kontakt mit Siliziumdioxid stattfindet.
Zahlreiche Studien bei der Erwerbsbevölkerung zeigen eine Verbindung zwischen dem Einatmen von kristallinem Siliziumdioxid und Lungenkrebs. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) ist der Ansicht, dass ausreichende Beweise für die karzinogene Wirkung bei Mensch und Tier vorliegen, um kristallines Siliziumdioxid seit 1997 als für den Menschen krebserregend einzustufen (Gruppe 1).4
Der karzinogene Wirkmechanismus der kristallinen Siliziumdioxidpartikel ist derzeit noch nicht mit Sicherheit geklärt. Laut IARC ist die bevorzugte Hypothese bezüglich der Wirkungsweise eine indirekte Genotoxizität durch die verminderte Kapazität der Lungenalveolen, kristalline Siliziumdioxidpartikel abzubauen, was zu einer nachhaltigen Entzündung der Lunge führt.
Sonstige Atemwegserkrankungen:
Zahlreiche Studie lassen darauf schließen, dass die berufliche Exposition gegenüber kristallinem Siliziumdioxid außer Silikose auch mit anderen, nicht-malignen Atemwegserkrankungen verbunden ist. Der US-amerikanischen Arbeitsschutzbehörde OSHA zufolge steigert der Kontakt mit kristallinem Siliziumdioxid insbesondere das Risiko von chronischer Bronchitis und beeinträchtigter Lungenfunktion.
Gesetzliche Bestimmungen:
Deutschland: Im Jahr 2016 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Beurteilungsmaßstab zu Quarz (A-Staub) von 50 μg/m³ bekannt gegeben. Bei Gefährdungsbeurteilungen und Kontrolle der Schutzmaßnahmen muss dieser berücksichtigt und eingehalten werden.
Begründete Ausnahmen, in denen der Beurteilungsmaßstab derzeit nicht eingehalten werden kann, werden in der TRGS 559 „Mineralischer Staub“ beschrieben. Die TRGS 559 „Mineralischer Staub“ von 2010 wird soll entsprechend überarbeitet werden.5
Auf europäischer Ebene: Laut CLP-Verordnung6, gibt es bis heute keine einheitliche Klassifizierung oder Kennzeichnung für kristallines Siliziumdioxid. Es wurde nämlich befunden, dass derzeit keine Arbeiten an dieser Klassifizierung notwendig seien, da „Arbeiten, bei denen durch ein Arbeitsverfahren Exposition gegenüber alveolengängigem kristallinem Siliziumdioxidstaub besteht“ bereits von der Richtlinie 2017/2398 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 als karzinogen eingestuft werden.7
Von Kieselgutherstellern durchgeführte Arbeiten haben gezeigt, dass eine Kennzeichnung wünschenswert ist, wenn Siliziumdioxid-Feinpartikel in einem Produkt anwesend sind8, um die mit Silikose verbundenen Gefahren hervorzuheben:
Percentage of fine particules of cristalline silica | Labelling | Danger |
---|---|---|
Greater than or equal to 10% | Sto re 1 : Specific toxicity for lungs after long-term exposure | |
Between 1 and 10% | Sto re 2 : Specific toxicity for lungs after long-term exposure | |
Less than 1% | None | None |
USA : Die OSHA (US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde) hat 2016 einen OEL 8h von 0,05 mg/m-3 für alveolengängiges kristallines Siliziumdioxid festgelegt und empfiehlt einen Aktionswert von 0,025 mg/m-3.
Schutz beim Umgang mit Verschüttungen
Zum Umgang mit Verschüttungen herkömmlicher Flüssigkeiten (Öle, Kohlenwasserstoffe, Lösungsmittel und relativ ungefährliche wässrige Lösungen) empfehlen wir die Verwendung des Trockenbindemittels POLYCAPTOR®
Zum Umgang mit Verschüttungen ätzender Chemikalien wie starken Säuren oder Laugen empfehlen wie die Verwendung eines neutralisierenden Chemikalienbinders, der die chemische Gefahr eliminiert, z. B. den neutralisierenden Chemikalienbinder TRIVOREX®
1 ANSES, D’après l’audition de Matériaux Industriels France par l’ANSES en 2016, 2019.
2 INRS 2007
3 INRS 2007
4 International Agency for Reseach on Cancer (IARC – CIRC en Français), Monographs Volume 100C.
5 TRGS 559.
6 Règlement (CE) n o 1272/2008 du Parlement européen et du Conseil du 16 décembre 2008 relatif à la classification, à l’étiquetage et à l’emballage des substances et des mélanges.
7 ECHA [Online]
8 I. International Diatomite Producers Association, A Guide to Safe Handling of Diatomaceous Earth products.